Unglaublich, wie rasch die Zeit vergeht, es ist Halbzeit beim o-töne Literaturfest. Aber kein Grund, um traurig zu sein. Uns stehen noch vier Donnerstag Abende mit abwechslungsreichen Lesungen hochkarätiger Autorinnen und Autoren bevor. Hier, wie versprochen, unser Update mit den Buchtipps für die zweite Hälfte des Festivals ab 8. August.
Sommerzeit ist o-töne-Zeit möchte man fast sagen. Es ist schon langjährige Tradition, dass im Juli und August der Hof des Wiener Museumsquartiers mit Lesungen bespielt wird. Von 11. Juli bis 29. August lesen Autorinnen und Autoren jeweils am Donnerstag bei freiem Eintritt Auszüge aus ihren Romanen vor. Dabei kommen jede Woche Autor*innen mit ihren Debütromanen zu Wort und danach lesen Autor*innen, die bereits mit anderen Büchern in Erscheinung getreten sind.
Im heurigen Jahr feiert das Fest besonders viele Buchpremieren, darunter den neuen Roman von Bestseller-Autor Arno Geiger, „Reise nach Laredo“. Außerdem lesen im Hauptprogramm gleich fünf Stimmen, die zum ersten Mal bei den o-tönen zu hören sind. Elias Hirschl mit „Content“, einer phantastisch-realistischen Geschichte über die Internet-Industrie. Anna Mitgutsch mit „Unzustellbare Briefe“, einer Mischung aus Roman und Autobiografie. Stefanie Sargnagel mit ihrem irrwitzigen Reisebericht „Iowa“. Vladimir Vertlib und Jana Volkmann sind auch das erste Mal mit dabei. Mehr über ihre Bücher gibt es im 2. Teil unserer Empfehlungen im August.
Aus der ersten Hälfte des Lesefestprogramms (Woche 1 bis 4) haben wir diese Empfehlungen für euch zusammengestellt:
Gleich am Eröffnungsabend startet Julia Jost mit ihrem Romandebüt „Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht“. Die 11-jährige Erzählerin steht kurz vor dem Umzug weg aus der Provinz. Ihre Mutter will es sich endgültig verbessern und endlich bürgerlich werden. Noch ist aber Zeit für ein Versteckspiel mit der Freundin Luca. Während die Erzählerin unter dem Umzugs-LKW liegt, erinnert sie sich an Episoden aus ihrer bisherigen Kindheit, manche komisch, andere tragisch. Wir bekommen eine Ahnung davon, was es heißt im Dorf nicht den gängigen Klischees zu entsprechen. Ein Mädchen mit kurzen Haaren, das immer nur Hosen trägt? Geht ja gar nicht! Und ein paar Geheimnisse über die Nachbarsleute und die eigene Familie erfahren wir natürlich auch. Ein unterhaltsames Buch mit gut ausbalanciertem lokalen Sprachkolorit.
Barbara Rieger stößt uns mit „Eskalationsstufen“ in eine toxische Paarbeziehung. Schon nach wenigen Seiten ist klar, dass die Beziehung zwischen Julia und Joe eskalieren wird. Aber noch läuft alles gut. Joe ist ein exzentrischer Künstler, der nur tote Frauen malt. Aber Julia lässt sich davon nicht abschrecken. Bald beginnt sich die Spirale aus Verunsicherung, Erniedrigung und Gewalt zu drehen. In einer einsamen Hütte im Wald gibt es kein Entkommen mehr. Babara Rieger zeigt schonungslos auf, dass Gewalt in Beziehungen jede und jeden treffen kann. Ein wichtiges Buch von großer gesellschaftlicher Relevanz.
„Lauter“ ist der neue Roman von Stephan Roiss. Darin versinkt Leon, der immer nur mehr und noch mehr vom Leben will und alle Freuden auskostet, durch den Tod der Mutter und eine Krebsdiagnose in Selbstvorwürfen und Verbitterung. Erst mit Hilfe von Meditation und einer Reise quer durch Italien scheint eine Aussöhnung mit dem Leben wieder denkbar. Eine Geschichte zwischen Wut und Hoffnung, eine Liebeserklärung an die Welt und das Leben. Mal leise und dann wieder ganz, ganz laut.
Und dann in Woche 4 das Debüt von Dominika Meindl, „Selbe Stadt, anderer Planet“. Das müssen wir einfach empfehlen, sind ja immerhin auch ein Planet! Johanna ist Ärztin und übernimmt nach dem Tod des Vaters seine Praxis im idyllischen Salzkammergut. Das bedeutet auch ein Wiedersehen mit ihrer Zwillingsschwester Doris, die Hallstatt nie verlassen hat. Schon bald ist klar, dass die Schönheit der Bergwelt nur zum Preis des Overtourism der Gegend zu haben ist. Schließlich taucht ein chinesischer Strategieberater auf, der für seine Regierung diesen Ort, auf den chinesische Touristen scheinbar so abfahren, unter die Lupe nehmen soll. Als in China tatsächlich eine Hallstatt-Kopie entsteht, sind die Bewohnerinnen und Bewohner des Originals fassungslos. Johanna und Doris beschließen, das Hallstatt-Theater im fernen Asien zu besuchen. Dominika Meindl nimmt mit viel Humor Pseudoidylle und den touristischen Ausverkauf aufs Korn.
Die zweite Hälfte des Lesefestes startet am 8. August. Da haben wir uns wieder das Buch des Debütanten herausgepickt. Florian Dietmaier lässt in seinem Roman „Die Kompromisse“ einen Diplomaten über sein Leben nachdenken. Der Mann ist Jahrgang 1929, hat also wesentliche Umbrüche im 20. Jahrhundert in seinem Berufsleben miterlebt. Dietmaier lenkt die Aufmerksamkeit jedoch auf Ereignisse, die den meisten von uns wohl eher nicht im Gedächtnis geblieben sind, in Ländern, von denen man nicht zwangsweise schon gehört hat. Sehr spannend, darüber im Internet nachzulesen… Ganz nebenbei erfahren wir auch Einzelheiten aus dem Privatleben des Erzählers. Daraus lässt sich das Bild eines Menschen zusammenreimen, der wohl nicht nur beruflich ein Meister der Kompromisse war. Bevor wir uns dann klar darüber sind, ob wir den Diplomaten sympathisch finden möchten oder eher nicht, kommt schon das dicke Ende des Buches – doch überraschend und berührend. Ein schmales Buch, das viele neue Welten erschließt.
Dann nimmt uns Vladimir Vertlib mit auf eine Reise durch die Sowjetunion in den 1950er-Jahren. Im Buch „Die Heimreise“ muss Lina, eine junge Studentin aus Leningrad, im Sommer ihren Arbeitsdienst im weit entfernten Kasachstan ableisten. Als sie eine Nachricht von daheim erreicht, dass ihr Vater schwer erkrankt ist, macht sie sich sofort auf den Heimweg durch das sowjetische Riesenreich. Die absurden Situationen, in die sie dabei gerät, lassen sich nur mit Hartnäckigkeit und einer großen Portion von unverwüstlichem Humor bewältigen. Willkürliche Polizeigewalt und ein undurchschaubarer Dschungel an Regelungen drohen Lina auszubremsen. Wird sie es rechtzeitig nach Hause schaffen, um ihren Vater noch lebend anzutreffen? Vladimir Vertlib hat mit diesem Buch seiner Mutter ein Denkmal gesetzt. Sie diente als Vorlage für die kämpferische Protagonistin Lina.
„Der beste Tag seit langem“ ist das neue Buch von Jana Volkmann. Darin erzählt sie mit feinem Humor über das Zusammenleben von Tieren und Menschen, Ausbeutung und die Grenzen der Selbstbestimmung. Zwei Frauen treffen in der Wiener Innenstadt auf ein herrenloses Pferd. Es folgt ihnen bis zu ihrem Häuschen in der Vorstadt und wird schließlich im Garten einquartiert. Der neue Mitbewohner setzt eine Reihe von Überlegungen und Ereignissen in Gang. Bald schon werden Hühnerfabriken gestürmt und Schweine galoppieren über die Simmeringer Hauptstraße. In welcher Welt möchten wir in Zukunft leben? Ein außergewöhnlicher Roman, der eine hochaktuelle Geschichte erzählt.
Zum Abschluss des Literaturfestes am 29. August wird Arno Geiger sein neues Buch „Reise nach Laredo“ vorstellen. Wir möchten eure Aufmerksamkeit aber auf das Debüt lenken, das davor präsentiert wird: „Tatendrang“ von Theresia Töglhofer. Sie schreibt darin über eine junge Generation, die sich (politisch) im vereinten Europa engagieren möchte, dabei aber von verfahrenen Strukturen und fragwürdigen Polit-Strategien behindert wird. Hanna Fürst bekommt gleich nach Abschluss des Studiums einen der begehrten Praktikumsplätze in der Europäischen Außenzentrale. In der „Arbeitsgruppe Zukunft“ soll sie mit ihren Mitstreiter*innen zwischen zwei verfeindeten Staaten am Rande Europas vermitteln. Bald schon droht Hanna im rasanten Arbeitstempo unterzugehen. Die Arbeitsgruppe wird zum Spielball zwischen Intrigen und Netzwerken. Und welche Ziele verfolgt die charismatische Lej, eine NGO-Aktivistin und ebenfalls Mitglied der Arbeitsgruppe, zu der sich Hanna hingezogen fühlt?
Viel Spaß weiterhin beim o-töne Literaturfest. In unserem Geschäft könnt ihr den ganzen Sommer über in einer Buchauswahl zum Fest schmökern.
- Julia Jost
Wo der spitzeste Zahn der Karawanken
in den Himmel hinauf fletscht
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Suhrkamp Verlag (zur Verlags-Website) - Barbara Rieger
Eskalationsstufen
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Kremayr & Scheriau Verlag (zur Verlags-Website) - Stephan Roiss
Lauter
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Jung und Jung Verlag (zur Verlags-Website) - Dominika Meindl
Selbe Stadt, anderer Planet
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Picus Verlag (zur Verlags-Website)
- Florian Dietmaier
Die Kompromisse
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Literaturverlag Droschl (zur Verlags-Website) - Vladimir Vertlib
Die Heimreise
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Residenz Verlag (zur Verlags-Website) - Jana Volkmann
Der beste Tag seit langem
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Residenz Verlag (zur Verlags-Website) - Theresia Töglhofer
Tatendrang
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