Robert Menasse erhält den Deutschen Buchpreis 2017. Er ist, nach Arno Geiger im Jahr 2005, erst der zweite österreichische Autor, der mit diesem Preis ausgezeichnet wird. Sein fesselndes Buch „Die Hauptstadt“ ist damit „DER“ deutschsprachige Roman des Jahres. Gerade in Zeiten wieder aufkeimender Nationalismen in allen möglichen schrecklichen Formen ein unbedingt notwendiges Buch.
Menasse erzählt in „Die Hauptstadt“ über die Organisation einer Feier zum 50-jährigen Bestehen der Europäischen Kommission, die nicht zuletzt die schlechten Umfragewerte dieser Institution in der Bevölkerung heben soll. Dabei tauchen wir ein in die Bürokratiemühlen der Brüsseler Institutionen und lernen sympathische und weniger nette Charaktere kennen. Jede/r verfolgt egozentrisch die eigenen Ziele, das auf die Beine stellen der Feier hat für die wenigsten Priorität.
Dieses Fest, diverse Arbeitsgruppen zur Neuausrichtung der Europäischen Union und sogar ein Mord sind sowieso nur der Hintergrund vor dem Menasse die Schicksale der handelnden Personen verknüpft: Einer leitenden Beamtin, die alle Register zieht, um sich aus einer Karrieresackgasse zu manövrieren. Eines Beamten der Generaldirektion Kultur, der für seinen schweinezüchtenden Bruder Lobbying betreiben soll. Eines Volkswirtschaftsprofessors, der trotz seines hohen Alters progressivere europäische Ideen, als alle anderen, ach so kreativen Mitglieder eines Arbeitskreises hat. Eines Holocaust-Überlebenden, der langsam vergisst, was nicht vergessen werden darf. Um nur einige der zahlreichen Figuren zu nennen, die uns auf den Seiten des Buches begegnen.
Wie die Geschichten dieser Personen letztlich verwoben sind, wie ihre Herkunft ihr Denken und Handeln prägt und wo die Fäden schließlich zusammenlaufen, macht den Roman spannend bis zur letzten Seite. Dass Bürokratie überall nach den gleichen Regeln funktioniert, gibt der Geschichte Witz und Ironie (die Rahmenhandlung mit dem entlaufenen Schwein sowieso). Die Frage, was dieses gemeinsame Europa eigentlich ist, sein soll oder sein könnte, zieht sich wie ein roter Faden durch die Handlung. Eine der Antworten: Europa sind wir alle. Menschen, keine Konzerne. Die Europäische Union als frieden- und sinnstiftende Einheit ist Sache von uns allen. Scheitern ist keine Alternative.
Robert Menasse hat es mit „Die Hauptstadt“ übrigens auch auf die Shortlist des Österreichischen Buchpreises 2017 geschafft, der am 7. November vergeben wird. Die übrigen Finalistinnen sind:
- Brigitta Falkner
Strategien der Wirtsfindung
Verlag Matthes & Seitz - Olga Flor
Klartraum
Verlag Jung und Jung - Paulus Hochgatterer
Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war
Verlag Deuticke - Eva Menasse
Tiere für Fortgeschrittene
Verlag Kiepenheuer & Witsch - und eben Robert Menasse
Die Hauptstadt
Suhrkamp Verlag